Motto für Advent und Weihnachten: „Mensch – wo bist du?“

Die Gemeinden St. Josef, St. Marien, St. Norbert und St. Thomas Morus schließen sich auch in diesem Jahr bei der Advents-Gestaltung an das Motto des City-Advents an: “Mensch – wo bist du?”. Es geht dabei um die aktuell so bedrohte Menschlichkeit und um das Ringen und Suchen nach “Menschwerdung”.
Aus der Ausstellung des Südtiroler Künstlers Aron Demetz hat das Vorbereitungsteam vier Skulpturen herausgesucht, anhand derer die Gottesdienste der Adventssonntage neu beleuchtet und erschlossen werden.
Wer weitere Informationen bekommen oder sich an der Umsetzung des Projekts beteiligen möchte, kann sich gerne wenden an andreas.rehm@sankt-franziskus-muenster.de.

Wir wünschen allen Gemeinde-Mitgliedern eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit!

1. Advent: Großer Kopf (Zedernholz)

Der überdimensionale Kopf ist eine der wenigen monumentalen Arbeiten, die Aron Demetz geschaffen hat. Bestimmend sind hier pureGröße, dazu das Miteinander wie zugleich Gegeneinander von mechanisch erzeugter und natürlich erhaltener Zeichnung des Holzes sowie die geschlossenen Augen und damit der in sich gekehrte Blick.

„Lehre mich … das Geheimnis zu verstehen, das(s) ich bin.“ (nach Romano Guardini)

Vorne sieht man den maschinellen Teil der Arbeit, hinten sind die natürlichen Jahresringe des Baumes belassen. Mechanische und natürliche Form, Elemente von Menschsein und Maschine gehen ineinander über. Auf diese Weise versuche er, so Demetz Aussage, „ein bisschen mit hineinzubekommen, was der Mensch mit sich selber anstellt, um immer digitaler zu werden, immer mechanischer zu funktionieren.“ Zugleich steht der Kopf in einer Sichtachse mit der Video-Installation eines schlagenden und langsam versagenden Herzens, betitelt als Ara cor und L’eco della cene, also Altar – Herz und Das Echo der Asche. Der Mensch hat nur eine begrenzte Zeit, über sich nachzudenken und vielleicht auch umzudenken. Das Herz, das alles Empfinden und Denken ermöglicht, schlägt nur allzu kurz.

Die Skulptur „Großer Kopf“ steht am Anfang des Rundgangs durch die Ausstellung „Mensch, wo bist du?“ Das Thema des Cityadvents ist der Erzählung vom Sündenfall des Menschen und seiner Vertreibung aus dem Paradies entnommen. Sie steht bereits im dritten Kapitel des 1. Buches der Heiligen Schrift des Ersten Testaments. Heute, mitten in einem Wandel von einer natürlichen zu einer menschengemachten, jetzt mehr und mehr digital umfassten künstlichen Welt, einer Welt, die krisengeschüttelt und voller Schuld und Versagen ist, stellt sich um so drängender die Frage nach der Zukunft der Menschheit. Wo steht der Mensch, wie und wovor versteckt er sich und wer ist er eigentlich? Warum gibt es überhaupt Menschen und wozu sind sie berufen? Der große Kopf deutet an, dass der Mensch die Antwort auf diese Fragen in der inneren Stille suchen und finden kann. Im Kontext des Cityadvents kann die Skulptur dazu einladen, wie der Priester und Philosoph Guardini zu beten: „Lehre mich in der Stille deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, dass ich bin und dass ich bin durch dich und vor dir und für dich“.

2. Advent: Memoridermata / Erinnerung der Haut (Holz) 

Die Figuren stehen einander gegenüber wie entgegen. Sie sind durch den gleichen Sockel verbunden, sehen sich manchmal an, manchmal nicht. Sie sind als Menschen erkennbar, die aber auch etwas Animalisches haben.

„Wenn ich als junger Mensch durch die Straßen der Städte ging, da war mirs, als müsst ich all diese dahinhastenden Leute mit ihren stumpfen Gesichtern festhalten und ihnen zuschreien: So bleibt doch stehen und denkt einmal nach und kostet es aus dieses ungeheure Woher – Wohin – Warum!“ (Franz Werfel, Der veruntreute Himmel. Frankfurt (Fischer) 1992, S. 321)

Diese Gruppe von Skulpturen ist die Hauptarbeit der Serie „advanced minorities“, übersetzt also etwa „hoch entwickelte Minderheiten“. Die Arbeit liegt auf einem 8×4 m großen Sockel, der in sich gefräst ist und einen weichen Boden ergibt, wie er in einem Wald zu finden ist. Die Fräsung des Sockels geht über in die Füße der Figuren, Fell geht in Haut über. Aron Demetz vergleicht das Leben der Menschen mit dem der Bäume im Wald. Die Menschen stehen wie Bäume im Wald herum. Es ist eher ein zufälliges Nebeneinander als ein erkennbares Miteinander. Die Menschen erscheinen unfertig. Man weiß nicht, ob sich ihr Körper gerade von einer ersten Haut, einer Art Fell, trennt oder schon eine neue, eine glatte bildet. Unter der zweiten, der menschlichen Haut liegt also noch anderes, Mysteriöses, Verdecktes, im Bildsinne Haariges. Der Mensch mag sich für hoch entwickelt halten, die Skulpturen lassen vermuten, dass der Mensch noch ganz und gar nicht ganz der Mensch ist, der er werden kann, dass er weder ganz zu sich selbst noch zu den Mitmenschen gefunden hat.

Alle Hast lassen, innehalten, nachdenken, sehen, wo wir unfertig sind, zueinander finden, das könnten in der Begegnung mit dieser Skulpturengruppe adventliche Impulse sein. Wenn wir, die aus animalischer Instinktbindung, aber eben auch Instinktsicherung herausgewachsen sind, nicht stumpf bleiben, sondern wirklich Menschen werden wollen, dann sollten wir den Fragen nach dem Woher und Wohin und Warum nicht ausweichen. Und die stellen sich, wenn die Tage immer kürzer und die Welt immer dunkler wird.

3. Advent: Margot (Leuchtfigur Expoxidharz)

Aron Demetz sagt zu dieser Skulptur: „Sie steht da neben den anderen Heiligen am Eingang, als wär’s das Natürlichste der Welt, irgendwie beleuchtet, und durch diese Bernsteinfarbe bekommt sie etwas so Außerirdisches, Abstraktes. Dieser nackte fotorealistische Körper unserer Zeit symbolisiert für mich die Menschwerdung des Spirituellen…“.

Als Figur, die am Eingang zum Cityadvent steht, kann sie die Besucher des Cityadvents an den Ruf des Jesaja erinnern: „Steh auf, werde licht, denn es kommt dein Licht.“ (Jes 60,1)

Aron Demetz bezeichnet diese Skulptur als „vielleicht die älteste Arbeit von mir, die ich noch besitze.“ An der Akademie hat er sie nach einem Modell geschaffen. Der nackte Körper erscheint weiblich, im Gesicht lassen sich vielleicht auch männliche Züge erkennen. Von innen her, durch das Harz, scheint Licht. Die Figur, von Demetz als Beispiel für den Menschen verstanden, steht aufrecht, Selbstbewusstsein und Anspruch ausstrahlend.

Die Figur steht am Eingang der Kirche auf einem der sonst leeren Podeste. Daneben stehen Figuren der Gottesmutter und der Evangelisten. Wie die traditionellen Skulpturen auf ihre neue, allerdings nur temporäre Nachbarin schauen, mag der Betrachter selbst entscheiden. Vor dem Eingang in den Cityadvent soll sie ankünden, dass irgendwann alle düsteren Zeiten vorbei sind. Wir Menschen sollen Hoffnung auszustrahlen, weil „Licht“ kommt, nach dem Advent die Weihnachtsfreude.

4. Advent: Senza titolo (Buche)

Diese beiden Figuren sind aus demselben Stamm entstanden. Auf ihrer jeweiligen Außenseite sind sie glatt und klar, auf der Innenseite, mit der sie einander gegenüberstehen, sind sie aufgefräst. Diese Seite zeigt eine zweite raue Haut, sie erscheint „als schwer durchdringbar, als hätten sie Schwierigkeiten zu kommunizieren.“ Es hätten, so der Künstler weiter, “beide eine Schatten- und eine Sonnenseite…“. – „…und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst!“ (aus einem Song von Albert Frey).

Die Gegensätzlichkeit von glatter Außenseite und rauer, schwer durchdringbarer Innenseite zeigt sich in vielen menschlichen Beziehungen. Nehmen wir die Herausforderung an, uns trotzdem Schritt für Schritt einander zu öffnen, uns gegenseitig zuzumuten und uns wie die beiden Skulpturen „unsere Wunden zu zeigen“?

Bild und Text vom 4. Advent veröffentlichen wir am Sonntag nach den Gottesdiensten.

(Fotos: Egon Dejori /Kunst: Aron Demetz)

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