Raus aus Happyland – gegen Rassismus auch bei uns!

Der folgende Beitrag stammt von Dr. Felin Lohr-Twagirashyaka, Mitglied unseres Pfarreirats.

„Nein, um Gotteswillen bin ich kein Rassist.“ Wirklich?

Nach dem Tod von George Floyd, verursacht durch das Drücken des Knies eines Weißen [1] Polizisten auf seinen Nacken, folgten Demonstrationen in der ganzen westlichen Welt. Diese Demonstrationen erinnern uns daran, dass der Rassismus in unserer Gesellschaft noch lange nicht verschwunden ist. Ich höre leider immer noch Stimmen in meiner Umgebung, die behaupten, dass es in Münster keinen Rassismus gäbe. Leider muss ich alle enttäuschen: wir Schwarze [2] Menschen in Münster erleben täglich Rassismus. Ich stelle hiermit meine eigenen Erfahrungen mit Rassismus in Münster dar.

Als ich in Coerde einzog, erlebte ich einen unerwarteten Alptraum. Die erste Information war, dass mein Nachbar überhaupt nicht begeistert war, einen Schwarzen als Nachbarn zu haben. Sein rassistisches Verhalten ließ nicht lang auf sich warten. Der Ball meiner spielenden Kinder landete aus Versehen auf sein Grundstück. Bis heute hat er den Ball nicht zurückgegeben – trotz mehrmaligen Fragen und Klingeln an seiner Haustür.

Eines Tages hat der DHL-Bote sein Paket bei uns abgegeben, damit wir das Paket an den Nachbarn weitergeben. Als dieser nach Hause kam, haben wir ihm sein Paket überreicht. Was für rassistische Beleidigung wir daraufhin von ihn zu hören bekamen: Wer hat euch die Erlaubnis erteilt, mein Paket zu berühren? Wir hatten dies zwar getan aus guten Gründen (Nachbarschaft-Unterstützung), aber er wollte davon nichts hören. Ein sehr frustrierendes Erlebnis.

Der Schwarze Mensch leidet unter Rassismus viel stärker als andere Gruppen. Sogar innerhalb der Migrant*innen selbst ist der Schwarze Opfer von Rassismus. Im Rahmen von Iriba-Brunnen e.V. haben wir eine Kindertanzgruppe. Die Gruppe besteht aus verschiedenen Nationalitäten. Eines Tages kam ein Kind mit heller Haut (aber nicht ein Weißer Deutscher) und wollte nicht neben einem Schwarzen Kind stehen beim Tanzen. Als die Betreuerin fragte, warum sich das Kind so verhielt, antwortete das Kind, dass Schwarz schmutzig wäre. Das Schwarze Kind war traumatisiert und ist weinend nach Haus gegangen. Für die Betreuerinnen war dies eine Gelegenheit, allen Kindern beim nächsten Treffen zu erklären, dass alle gleich und genau so sauber sind.

Nach den rassistischen Theorien, die die Rassen konstruieren, belegt die oberste Stufe der Weiße (helle Haut) und die unterste Stufe belegt der Schwarze. Im Fernsehen, Radio, bei anderen Medienlandschaften, im Kino oder sogar in einigen Volksliedern wird der Schwarze Mensch oft als der Dumme, Wilde, Hungernde dargestellt. Wer aber eine helle Haut hat ist meist klug, zivilisiert, wohlhabend – und glaubt „gerechtfertigt“ zu sein, Schwarze Menschen zu diskriminieren. Das ist, was das Kind unbewusst gegenüber dem Schwarzen Kind reproduziert hat.

An einem sehr sonnigen Tag (30 Grad im Schatten) sagte mir ein Weißer Deutscher: „Für Sie ist die Sonne kein Problem?‘‘. Dies interpretierte ich als eine Abwertung und als einen unbewussten Kolonialgedanken. Es mag sein, dass meine Hautfarbe etwas mehr Sonne ertragen könnte als seine. Aber eine solche Anmerkung erweckt den Eindruck, dass Schwarz etwas Wildes ist, ohne Gefühl, ohne Empfindlichkeit ist, da er im Busch wohnt.

Wenn Sie (als Weißer Deutscher) einen Schwarzen Menschen fragen: ‚, Woher kommen Sie? Wann kehren Sie zurück?‘‘- wissen Sie, dass Sie ihn verletzen? Denn es erinnert den Befragten daran, dass er hier nicht dazugehört. Für jemanden, der hier geboren ist oder die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ist dies verletzend. Wir als Schwarze Menschen hören dies immer wieder.

Wenn Sie „farbig“ oder „dunkelhäutig“ verwenden – wissen Sie, dass diese Wörter rassistisch beleidigende Begriffe sind? Es suggeriert nämlich ein unsichtbares „Wir“ als farblos und bezieht sich auf eine vermeintlich biologische Differenz. Es findet also eine Rassifizierung statt. Für die koloniale Ideologie und Weißsuprematie ist Weißsein die Norm und das Ideal.

Diese beiden letzten Situationen bzw. Fragen zeigen, wie Schwarze Menschen täglich mit Rassismus konfrontiert werden und damit leben müssen. Der Weiße Deutsche, der immer noch denkt, es gäbe keinen Rassismus in Deutschland, profitiert nur davon (White Privilege). Er lebt im so genannten „Happyland“ (Tupoka Ogette, 2019) wo es keinen Rassismus gäbe.

Nein, es gibt Rassismus, und wenn Sie dies bekämpfen wollen, bitte gehen Sie raus aus dem Happyland. Öffnen Sie Ihre Augen und Ohren. Sprechen Sie bitte mit den Opfern und nicht für sie.

Wenn Sie Zeugen von Rassismus sind, bitte greifen Sie ein und sprechen darüber. Sie müssen wissen, wenn Sie in solchen Situationen nicht eingreifen, sich nicht einmischen, tragen Sie zur Verbreitung der Ideologie des Rassismus bei. Rassismus verschwindet nicht von sich allein. Wir müssen darüber laut sprechen. Also reicht es nicht zu sagen bzw. denken: „Ich bin kein Rassist‘‘.

________
[1] In rassistischkrtitischem Kontext (s. auch Tupoka Ogette, 2019: exit Racism. Unrast Verlag Münster) bezieht sich der Begriff Weiß auf eine politische Beschreibung und nicht auf eine Farbbezeichnung.

[2] Schwarz: Der Begriff wird in diesem Kontext großgeschrieben. Es handelt sich nicht um das auf die Farbe bezogene Adjektiv ,,schwarz‘‘, sondern um eine politische Selbstbezeichnung. Weiteres bezieht er sich auf die gemachten Rassismus Erfahrungen von Menschen.

 

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